Spielbericht: 1. FC Kaiserslautern - VfL Wolfsburg 0:0

Auch Wooten bringt Kurz kein Glück

Auch Wooten bringt Kurz kein Glück


„Wooten, Wooten“, dröhnte es in der 68. Minute durch das Fritz-Walter-Stadion, als ein Mann den frisch ausgerollten Rasen betrat, den fast alle der 34.110 Zuschauer nur aus der Zeitung kannten. Dort war zu lesen, dass dieser 22-Jährige bislang 15 Tore erzielt hatte - wohlgemerkt für die zweite Mannschaft, in Liga vier. Andrew Wooten als letzter Stürmer-Joker im Ärmel, als Strohhalm des ertrinkenden FCK?!

Wir schreiben den 24. Spieltag. Vor wenigen Wochen prophezeite FCK-Boss Kuntz in der Rubrik „DBB fragt nach“ Wooten sogar noch „wenig realistische Chancen auf Einsätze in der Profimannschaft“. Nach den Verpflichtungen von Wagner und Swierczok habe man „vier sehr gute Stürmer“. Fakt ist aber: Der FCK hat mit 16 Toren die wenigsten Treffer der Liga erzielt, in der Rückrunde trafen die Roten Teufel bislang nur drei Mal ins Schwarze - die Torschützen: Florian Dick (2) und Leon Jessen. Sie zählen nicht zu den „sehr guten Stürmern“, die der ehemalige Torschützenkönig Kuntz meinte. Neben Wagner und Swierczok, der am Samstag zwei Mal für die Amateure traf, lagen die Hoffnungen noch auf Kouemaha und Shechter. Ersterer wird wohl wegen Achillessehnenriss und auslaufendem Leihvertrag nie mehr im FCK-Trikot auflaufen und letzterer laboriert an einer Muskelverletzung und mangelndem Selbstvertrauen. Von dem Schock, sich nach seinen klasse Auftritten auf Schalke und gegen Freiburg auf der Bank wiederzufinden, hat sich der stolze und in Israel wie ein Popstar gefeierte Angreifer nie richtig erholt.

Shechter stand direkt vor dem Spiel gegen Wolfsburg auch im Mittelpunkt des Interesses. Während auf der Anzeigetafel sein Konterfei flimmerte, trugen seine Mitspieler ein Banner mit der Aufschrift „Rassismus hat beim FCK keinen Platz!“ über den Rasen. In der Westkurve prangte in riesigen Lettern „Gemeinsam für unseren FCK“, darüberhinaus viele weitere Spruchbänder. Dazu wurde Shechter mit Beifall überschüttet - aber das war bei seinen bisherigen Auftritten auf dem Betze nicht anders.

Der Applaus an diesem Samstag hatte auch etwas Befreiendes. Der FCK hatte eine schwarze Woche erlebt, vielleicht die schwierigste seit dem 18. Mai 2008. Die elenden Nachrichten wären weiter nach hinten gerückt, hätte Schiedsrichter Aytekin den frei aufs Tor zulaufenden Tiffert wenige Sekunden nach dem Anpfiff nicht wegen Abseits zurückgepfiffen. Der FCK-Kapitän war nach seinem harten Pausen-Brot wieder mit von der Partie, für Kouemaha kam Sukuta-Pasu in die Startelf, für den angeschlagenen Trapp hütete Sippel den FCK-Kasten. Trainer Marco Kurz hatte vor dem Spiel eine 4-2-3-1-Taktik an die Tafel gemalt. Tiffert gab hinter Wagner eine Art hängende Spitze - Positionswechsel sind für den FCK-Spieler des Jahres 2011 aber in dieser Saison nix Neues.

Auch Wolfsburg-Trainer Magath schickte die x-te neue Startelf ins Rennen: Mandzukic und Helmes bildeten das Sturmpaar. In den ersten 30 Minuten blieben beide Mannschaften dann ihrem schlechten Ruf gerecht: Das in dieser Saison am längsten sieglose Team der Bundesliga und die schlechteste Auswärtsmannschaft lieferten sich ein Fehlpass-Festival. Statistiker waren froh, Fernschüsse von Chris und Helmes (7./20.) als Chancen verbuchen zu können; Sippel zeigte in beiden Situationen kein Lampenfieber. Erst in der Schlussphase wurden die Aktionen - bei all der Hektik, all dem Stress - dem qualitativ anspruchsvollen Bundesligabetrieb gerecht: Sukuta-Pasu spielte artistisch Wagner frei, der sofort abzog und verzog (36.). Es war der vierte Torschuss des Winterschluss-Einkaufs in seinem sechsten Spiel. Wenige Atemzüge später dann einer der schönsten FCK-Angriffe in der gesamten Saison: De Wit bedient sich der Schnelligkeit von Derstroff, der Tiffert den Ball auf dem Silbertablett serviert. Doch es erschallt wieder kein „JAAAA!“-Roar auf dem Berg. Stattdessen: „Schieß doch in die lange Ecke, Kerl!“. Auf der Gegenseite stockt dem FCK-Anhang der Atem, als FCK-Verteidiger „Forrest“ Dick im Fünf-Meter-Raum ausrutscht, aber Schäfer am mutig raustürmenden Sippel scheitert. „Wie dä Gerry“, haut man sich in der Kurve stolz auf die Schultern. Mit dem Pausenpfiff bekommen auch die anderen zehn FCK-Spieler von ihrem Anhang einen warmen Applaus.

Die Gesichtszüge entspannen sich in den ersten Zügen der zweiten Halbzeit noch mehr: Jetzt spielt der FCK auf seine Kurve. Es werden Zweikämpfe gewonnen, die Pässe kommen an, eine Struktur ist zu erkennen. Ein wie zu besten Zeiten geschossener Tiffert-Freistoß erreicht Simunek, der parallel zur Torlinie köpft und den besten Torschützen der Rückrunde (Dick) fast findet (50). Das war haarscharf. Spätestens als Magath den flinken Oroszco für Dejagah bringt (57.), ist es mit der FCK-Herrlichkeit erst einmal wieder vorbei. Bei Oroszcos Schuss, nach Helmes-Dauerlauf nach FCK-Freistoß (!), haben die mitgereisten 300 Wolfsburger Zuschauer den Torschrei auf den Lippen (62). Auch Kurz wechselt, bringt Jörgensen und Wooten. Und die beiden haben sechs Minuten nach ihrer Einwechslung die Chance. Jörgensen schießt Sukuta-Pasu an und Wooten nimmt herrlich den Ball aus 16 Metern volley. Der Betze streckt kollektiv die Hände in die Höhe, um sich danach an den Kopf zu fassen. Mandzukic bleibt instinktiv auf der Linie kleben und wird zum Torverhinderer. „Das gibt’s doch nicht!“ In der Schlussphase hat VfL-Tormann Benaglio einen Aussetzer, der in der Bundesliga eigentlich bestraft wird. Aber Wagner köpft kraftlos über das leere Tor. Schlusspfiff und bohrende Fragen: Warum taucht die FCK-Mannschaft nach guten, viel zu kurzen Phasen immer wieder ab? Mangelnde Kondition? Angst? Fehlender Plan? Keine Qualität? 126 km mussten die Kurz-Arbeiter am Samstag laufen - sechs mehr als der Gegner. Die Fehlpassquote lag bei satten 34%. Tiffert und Sukuta-Pasu verloren mehr als die Hälfte ihre Zweikämpfe. Für Angreifer Wagner wurden 76 „intensive Läufe“ gezählt, insgesamt legte er über zwölf Kilometer zurück und gewann 63% seiner Zweikämpfe. Ist seine Tor- und Schussflaute dem System geschuldet?

Kurz bleibt FCK-Coach, stellte Kuntz nach dem Spiel klar. Auf Bewährung. „Mir wäre am liebsten, wir punkten beim VFB“, sagte Kuntz. Wenn nicht, muss Kurz dann gehen? Man sei zweimal abgestiegen, erinnerte Kuntz im „Aktuellen Sportstudio“, und zweimal habe man zuvor den Trainer gewechselt. Dahinter verbirgt sich die Sehnsucht nach „Kontinuität und Seriosität“. Um die Bundesliga in der strukturschwachen Pfalz zu erhalten, müssten Verantwortliche, Mannschaft und Fans Außergewöhnliches leisten, so der Boss. Zumindest den Fans kann man auch in dieser Saison eine glatte Eins ins Zeugnis schreiben. Wer nach diesem schlimmsten Negativlauf seit der Saison 67/68 derart leidenschaftlich anfeuert, der muss (FCK-)verrückt sein. Auf was kann der FCK in den entscheidenden zehn Spielen noch bauen? Auf alle Fälle auf einen geläuterten Sippel, der auf die Frage, was denn nun in Stuttgart zu erwarten sei, angriffslustig sagte: „Na, einen Dreier.“ Vielleicht durch Wooten, dessen entschlossener Auftritt Lust auf mehr machte.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Marky

Weitere Links zum Thema:

- Fotos vom Spiel

Kommentare 176 Kommentare | Empfehlen Artikel weiter empfehlen | Drucken Artikel drucken