Neues vom Betzenberg

Keine Denktabus!

Der FCK hat ein Strukturproblem. Ein hausgemachtes. Ein Schnitt muss her.

Eine Meinung von Andreas Erb

Das allerletzte Endspiel! Gegen Hoffenheim am Wochenende? Ach was! Alles Phrasen! Denn wie viele allerletzte Endspiele kann es geben? Richtig: nur eins. Es heißt ja schließlich End-Spiel. Und das war am vergangenen Wochenende gegen Hamburg. Da hat der 1. FC Kaiserslautern verloren. Der Abstieg rückt näher. Wieder eine Woche hoffen? Verschwendete Energie. Besser die Zeit nutzen. Für eine Situationsanalyse auf dem Betzenberg. Und für eine Diskussion über Ursachen und Perspektiven. Eine kritische Aufarbeitung einer verkorksten Saison ist zwingend vonnöten, möchte man auf dem Betzenberg zu Stabilität und sportlicher Qualität zurückfinden. Die verantwortlichen Akteure an der Vereinsspitze sind mehr gefordert denn je.

Dass ein Bundesligaclub an sportlichem Erfolg gemessen wird, liegt in der Natur der Sache. Und dass in sportlichen Erfolgszeiten der Glanz des Sieges auch auf die Verantwortlichen abstrahlt, ist ebenso selbstredend. In Krisenzeiten allerdings zeigt sich, wie stabil das Konstrukt eines Vereins gebaut ist. In seiner ersten ernsthaften Krise erweist sich in diesen Tagen, wie stabil das System Stefan Kuntz auf dem Betzenberg funktioniert.

Bemerkenswert: Der amtierende FCK-Vorstandsboss schafft etwas, was vor ihm kaum einer hinbekam. Selbst in einer desaströsen Saison bleibt es, gemessen an dem sportlichen Resultat, verhältnismäßig ruhig im Verein. Zunächst ein positives Zeichen. Jedoch nur auf den ersten Blick. Denn der Grad ist schmal zwischen Ruhe und Lethargie. Was fehlt, ist eine kritische Diskussionskultur. Nein, keine Palastrevolution. Auch hier ist der Grad schmal. Sondern eine konstruktiv-kritische Auseinandersetzung mit den Geschehnissen im Club. Und zwar nicht nur mit dem Geschehen auf dem Rasenviereck. Sondern mit relevanten Themen. Etwa dem Verhältnis zwischen Stadt und FCK oder den Vorgängen in der Geschäftsstelle.

Es fehlt an Transparenz. Aber es sind nicht nur die Antworten, die fehlen. In erster Linie fehlt es an Fragen. Und an denjenigen, die sie stellen. Zum Beispiel diese: Wieso wird ein Trainer gewechselt zu einem Zeitpunkt, zu dem die Saison eigentlich längst gelaufen ist und nachdem man zuvor stets das Kollektiv von Mannschaft, Trainer, Vorstand und Aufsichtsrat beschworen hatte? Uneingeschränktes Vertrauen und Glaubwürdigkeit sehen anders aus. Die Beurlaubung von Marco Kurz erinnert eher an eine hektische Alibi-Veranstaltung als an eine fundierte Entscheidung mit Weitblick.

Oder diese: Wieso gelingt es Gerry Ehrmann, mehrere nationale Spitzentorhüter auszubilden, wieso sticht in anderen Mannschaftsteilen jedoch kein FCK-Jugendspieler wirklich auf nationalem Top-Niveau hervor? Wo ist das jugendliche Kapital eines Vereins, dessen Nachwuchsleistungszentrum man vor wenigen Jahren noch beste Zukunftsaussichten bescheinigte? Dies in einer Zeit, in der sich im deutschen Südwesten zwischen Saarbrücken, Karlsruhe, Hoffenheim und Mainz das Ringen um fußballerischen Nachwuchs zuspitzt. Wenn Jugendarbeit die Zukunftsfähigkeit eines Vereins ausmacht, dann dürfte der erneute Abstieg in die Zweite Bundesliga derzeit das geringste Problem des Lauterer Traditionsclubs sein...

Oder diese: Nach welchen Kriterien funktioniert das Scouting-System auf dem Betzenberg? Wie konnte man derart schief liegen vor Saisonstart? Und warum die Umstrukturierung des Kaders ohne Stringenz in der Saisonpause? Wo liegen die handwerklichen Fehler in der Saisonvorbereitung? Und angenommen, die Frage ergibt die Antwort, dass der desaströse Saisonverlauf nicht an der Kuntz‘schen Transferpolitik gelegen haben kann und dass das Team eigentlich doch irgendwie auf Bundesliga-Niveau eingestellt ist, es nur eine kleine mentale Hürde gibt, dass man eben einfach nicht gewinnen kann, das kann ja schon mal vorkommen - wozu verfügt der FCK dann über zwei Teammanager?Wen oder was managen die? Wäre nicht eine sportpsychologische Betreuung im Leistungssport angesagt? Dass es hier Defizite gibt, zeigten bereits zu Saisonbeginn diverse Aussetzer im Sozialverhalten einiger FCK-Profis...

Überhaupt: Wie funktioniert Personalpolitik in der Geschäftsstelle? Schreibt die Frankfurter Allgemeine Zeitung von Klüngelei, umso notwendiger sind da ein klar definiertes Anforderungsprofil, ein schlüssiges Kompetenzportfolio und ein eindeutiger Qualifikationsbeweis bei der Besetzung von Schlüsselpositionen im Verein. Behutsam formuliert: Hier scheint es Nachholbedarf zu geben.

Augenscheinlich hat der FCK ein Strukturproblem. Ein hausgemachtes. Beflügelt vom siebten Tabellenplatz in der Vorsaison war man sich seiner Sache vielleicht zu sicher auf dem Betzenberg. Nun muss ein Schnitt her, ein Neustart, ein Neuaufbau. Eine Zieldiskussion ist notwendig. Und dabei darf es keine Denktabus geben. Der Verein muss seine Strukturen auf den Prüfstand stellen. Und er muss sein Selbstverständnis hinterfragen.

Gehört der FCK tatsächlich in die Erste Liga? Naja, sind wir mal ehrlich: Würde er in die Erste Liga gehören, hätte die Mannschaft in den vergangenen 18 Spielen wenigstens mal eins gewonnen. Also: Sollte sich der FCK mit etablierten Erstligisten messen? Oder sollte er sein Benchmarking nicht bescheidener ansetzen? Orientierung gibt beispielsweise der FSV Frankfurt, ein vor wenigen Jahren noch viertklassiger Verein, der mittlerweile durchaus solide in der Zweiten Liga kickt. Muss das Saisonziel gleich „Wiederaufstieg“ lauten oder liegen die wirklich wichtigen Herausforderungen für den FCK nicht auf ganz anderer Ebene, weit außerhalb des Rasenvierecks? Nämlich, eine langfristig stabile Ausrichtung für die Zukunft zu finden - finanziell wie strukturell und personell. Wenn es sein muss auch in Liga Zwei.

Die Themen sind offensichtlich. Nur müssen sie diskutiert werden. Nur müssen sie gelöst werden. Nun ist die Vereinsführung gefordert. Dem Aufsichtsrat, blickt man auf seine Besetzung, sollte zuzutrauen sein, dass seine Akteure die analytischen Kompetenzen mitbringen, Ist-Zustände erfassen, Defizite erkennen und Ziele definieren zu können. In sachlicher Bescheidenheit. Klar, das operative Geschäft obliegt dem Vorstand. Doch gerade in einer kritischen Phase des Wandels kommt dem Aufsichtsrat mehr denn je die Verantwortung zu, diesen Prozess zu überwachen und gegebenenfalls gegenzusteuern. Es ist geradezu seine Bestimmung. Denn, wie es FCK-Finanzvorstand Fritz Grünewalt bei der letztjährigen Mitgliederversammlung voller Herzblut betonte: „Es geht einzig um den Verein.“ Die nächsten Monate werden zeigen, ob es sich um ein Bekenntnis handelte. Oder nur eine Phrase.

(Der Artikel ist erschienen in der aktuellen Ausgabe des Kaiserslauterer „Wochenblatts“. Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.)

Quelle: Wochenblatt

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