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Gegner-Check HSV: Wenn, dann havariert Hamburg hinten

Gegner-Check HSV: Wenn, dann havariert Hamburg hinten


Zum dritten Mal in vier Wochen zeigt sich der 1. FC Kaiserslautern live zur Prime Time. Der schwache Auftritt in Braunschweig kann getrost vergessen werden. Gegen den Hamburger SV ist klassischer "Schuster-Style" angezeigt, aber auch "högschde Konzentration".

So lief’s seit dem Hinspiel: Als der FCK am 11. Spieltag an die Waterkant reiste, war der HSV Tabellenführer. Und das 1:1 gegen die Roten Teufel bildete für die Hamburger den Auftakt zu einer kleinen Ergebnisflaute. Es folgten Niederlagen im Derby gegen den FC St. Pauli (0:3) und gegen den 1. FC Magdeburg (2:3). Die Hinrunde schlossen sie dennoch auf Aufstiegsplatz 2 ab. Vor dem fetten 6:1 vergangene Woche gegen Hannover 96 aber waren die Nordlichter noch gar nicht zufrieden, wie die Rückrunde bislang gelaufen war: Zu viele Unentschieden, zu viele Gegentore, und das 2:4 beim Karlsruher SC schmerzte ganz besonders. Das machte die Hanseaten auch deswegen nervös, weil schon seit vier Jahren der in der Weltstadt sehnsüchtig erwartete Wiederaufstieg in die Bundesliga vergeigt wird. Insbesondere, weil sie in der Rückrunde (und besonders im Monat April) regelmäßig nachlassen. Und vor Relegationsspielen hat vor allem Sechser Jonas Meffert einen Heiden-Horror: Drei Mal schon stand er in den Playoffs um den Aufstieg in die Erste Klasse, drei Mal scheiterte er - erst mit dem KSC, dann mit Holstein Kiel und zuletzt mit dem HSV. Nach dem Kantersieg gegen 96 scheint wieder alles im Lot an der Elbe. Doch nach dem Gastspiel in der Pfalz steht direkt das nächste Derby gegen die St. Paulianer an, die schon das ganze Jahr nur noch am Gewinnen sind. Dadurch rücken sie nach zehn Siegen in Folge nun den Top 3 der Liga schwer auf die Pelle. Der HSV steht also unter Druck, wenn er den ungeliebten Relegationsplatz von sich weghalten will - oder gar den schon drei Mal belegten Rang 4.

Das hat sich geändert: Vier Gegentore beim 2:4 gegen Karlsruhe, drei beim 3:3 in Heidenheim, zwei beim 2:2 in Düsseldorf. Das war nicht nur für Trainer Tim Walter too much, nachdem der HSV am Ende der Hinrunde mit nur 19 Gegentreffern noch die drittbeste Abwehr der Liga stellte. Das Schwächeln hatte Gründe: In Karlsruhe und in Düsseldorf fehlte Stamm-Innenverteidiger Sebastian Schonlau. Die zweite Abwehr-Säule der Hinrunde, der Kroate Mario Vuskovic, ist seit November wegen eines Doping-Vergehens gesperrt. Schonlau steht nunmehr wieder zur Verfügung, aber die Besetzung der Position daneben bereitet Walter nach wie vor Kopfzerbrechen. Noch hat er keinen weiteren Innenverteidiger auf dem Niveau des Duos Vuskovic/Schonlau gefunden. Jonas David überzeugte zuletzt trotz des glatten 6:1 gegen Hannover nicht, hätte, wenn’s dumm gelaufen wäre, nach 37 Minuten sogar Gelb-Rot sehen können, so wie der Spanier Javi Montero in der Woche zuvor. Die Leihgabe aus Istanbul entzückte den Trainer auch sonst noch nicht. Alternativen für das Gastspiel in Kaiserslautern wären der Schweizer Miro Muheim oder Moritz Heyer, der bislang als Rechtsverteidiger spielte, aber gelernter Innenverteidiger ist - FCK-Fans dürfte er noch aus seiner Zeit in Halle in Erinnerung sein. Eine Dreierkette wäre ebenfalls möglich, mit der aber hat Walter erst einmal experimentiert, beim 2:2 gegen Düsseldorf. Grundsätzlich ist der Coach ein Verfechter eines offensiven, dominanten 4-3-3.

Gewinner und Verlierer: Kürzlich hat Walter Xavier Amaechi endgültig aus seinem Kader verbannt. Den Engländer hatte der HSV 2019 für 2,5 Millionen Euro vom FC Arsenal verpflichtet, er hat jedoch nie den Durchbruch geschafft - Fehleinkäufe dieser Größenordnung muss ein Zweitligist sich erst einmal leisten können. Der drei Millionen Euro schwere Vuskovic dagegen schien ein Volltreffer zu sein - bis ihm die angesprochene Dopingsperre in die Quere kam. Die Investitionen in Jean-Luc Dompé (1,1 Millionen Euro) sowie Ransford-Yeboah Königsdörffer (1,2 Millionen Euro) lohnten sich jedoch. Gegen Hannover mussten die beiden Flügelstürmer allerdings einem wieder einmal wiedererstarkten Sonny Kittel Platz machen. Der Ex-Frankfurter spielte als Linksaußen groß auf, erzielte einen Treffer, ebenso stark präsentierte sich der zwei Mal erfolgreiche Achter László Bénes, der vergangenen Sommer für 1,5 Millionen Euro von Borussia Mönchengladbach kam. Da ist im Kader also viel Qualität zu Preisen, von denen der FCK nach wie vor nur träumen kann. Vor allem auf den Flügeln hat Walter die Qual der Wahl, zumal da auch noch Bakery Jatta unterwegs ist, der als Rechtsaußen normalerweise gesetzt ist. Und über den Ex-Lautrer Robert Glatzel müssen wir kein Wort mehr verlieren - 17 Saisontreffer und drei Vorlagen sprechen für sich.

Zahlen, Daten, Fakten: Seit dem vergangenen Wochenende ist der HSV nicht nur die Mannschaft, die die meisten Tore in der Liga geschossen hat - 54. Sie beansprucht auch den meisten Ballbesitz (59 Prozent im Schnitt), verfügt über die beste Passquote (85,9 Prozent), schlägt die meisten Flanken (bislang 386) und die gibt die zweitmeisten Torschüsse ab (bislang 424). Da ist nur Lokalrivale St. Pauli besser, allerdings nur einen einzigen Torschuss (Quelle: bundesliga.de). Überragender Passspieler ist Sechser Jonas Mefffert mit einer Präzision von 89,93 Prozent, und das bei Zuspielen ins letzte Drittel (Quelle: Wyscout). Nur auf den ersten Blick erstaunlich: In punkto "Eckball-Gefährlichkeit" rangiert der Tabellenzweite im Ranking von "bundesliga.de" auf dem vorletzten Platz, die Hamburger Ecken wären demnach 49 Prozent schwächer als der Liga-Durchschnitt. Lautern wiederum ist in diesem Tableau Erster, mit 48 Prozent über dem Mittel. Wie diese Werte errechnet worden sind, bleibt allerdings rätselhaft. Faktisch hat der HSV bereits sechs Treffer nach Ecken erzielt, nur zwei weniger als der FCK. Und Kopfball-Treffer (13) haben die Hanseaten sogar einen mehr gemacht als die Pfälzer (Quelle: Wyscout). Von einem wirklichen Vorteil für den FCK bei Standards und in der Luft - beides hängt ja zu einem guten Teil zusammen - ist also nicht auszugehen.

Fazit: Der FCK hat gegen die Top 3 der Liga zwar noch kein Spiel gewonnen, aber außer beim 0:2 in Darmstadt vor vier Wochen sah er gegen die besten Teams der Liga immer gut aus. Im Hinspiel hatte der HSV in den ersten 24 Minuten 80 Prozent Ballbesitz, die erste Torchance aber bot sich nach 18 Minuten Terrence Boyd per Kopf. Danach markierte Glatzel den Führungstreffer mit der ersten Hamburger Tor-Aktion überhaupt. Beim 2:2 jüngst gegen Heidenheim überließen die Roten Teufel ihren Gästen ebenfalls öfter den Ball, ließen aber bis zu deren Führungstreffer in der 51. Minute kaum etwas zu, verzeichneten selbst vielleicht keine überragenden Gelegenheiten, aber mehrere vielversprechende Ansätze. Will sagen: Am Samstagabend ist der Schustersche Underdog-Style wieder mal absolut angezeigt, während zuletzt in Braunschweig mehr Wille zur Eigeninitiative nötig gewesen wäre. Allerdings ist "högschde Konzentration" im besten Jogi Löwschen Sinne gefragt, denn der Gegner mag der bevorzugten Spielweise der Lautrer zwar entgegenkommen, verfügt aber über eine ungleich höhere individuelle Qualität als die Braunschweiger. Einmal mehr gilt: Bei allem Respekt vor den überragenden Offensivkräften der Gäste: Nicht vergessen, dass die Hanseaten ihre Schwächen in der Hintermannschaft haben. Die aber muss gestresst werden, damit sie Fehler macht. Und wenn es nur in situativen, aber gut kalkulierten Pressing-Phasen ist. Wenn dann vielleicht auch mal der Führungstreffer gelingt, ist gegen "tief stehen und auf Konter lauern" ohnehin nichts mehr zu sagen.

Quelle: Der Betze brennt

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