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Gegner-Check Magdeburg: Den Heimkomplex ausnutzen

Gegner-Check Magdeburg: Den Heimkomplex ausnutzen


1. FC Kaiserslautern gegen 1. FC Magdeburg - ein Aufsteiger-Duell? Ist als Etikett doch längst ausgelutscht. "Heimschwächstes Team der Liga trifft auf drittbeste Auswärts­mann­schaft" - das bildet die Realität viel besser ab.

So lief's seit der Hinrunde: Das spektakuläre 4:4 im Fritz-Walter-Stadion sicherte Magdeburg erst den vierten Punkt nach bis dato sechs Spielrunden. Auch im weiteren Saisonverlauf kam der FCM nicht so recht aus dem Quark. Tabellen-17. nach der Hinrunde, schwächste Abwehr der Liga mit bereits 42 Gegentoren, zudem schwächstes Heimteam mit erst acht Punkten im eigenen Stadion. In der Fremde allerdings setzten die Magdeburger einige Highlights. Gewannen beispielsweise 3:2 beim Aufstiegs-Topfavoriten Hamburger SV, dem ehemaligen Klub des heutigen FCM-Trainers Christian Titz. Zuletzt mit einem 2:1 bei Hannover 96 erfolgreich, das den Neuling auf Platz 14 hievte und ihm vier Punkte Luft zum Relegationsrang 16 verschaffte. Wobei nicht viel gefehlt hätte und er hätte trotz Überzahl noch eine Führung verspielt. Das kennen wir doch von irgendwo her.

Das hat sich geändert: Am Ende der vergangenen Drittliga-Saison stieg der 1. FC Magdeburg mit 15 Punkten Vorsprung vor dem 1. FC Kaiserslautern auf. Nach 22 Runden dieser Zweitliga-Spielzeit steht der FCK nun 14 Zähler vor dem FCM. Wie sich das erklären lässt? Wer will, kann am großen Rad drehen und aufs Fußball- und Selbstverständnis der beiden Trainer abheben: Auf der einen Seite der vom "Total Voetbal" und seinem Epigonen Pep Guardiola inspirierte Christian Titz, der sein Anspruch an Ballbesitzspiel und hohes Anlaufen auch eine Liga höher nicht aufgeben will, obwohl ihm im Wettbewerbsvergleich nur ein niedrig budgetierter und entsprechend limitierter Kader zur Verfügung steht. Auf der anderen Seite der Pragmatiker Dirk Schuster, der das Spiel seine Jungs konsequent an den Möglichkeiten des eigenen Personals und denen des Gegners ausrichtet. Was mehr Erfolg verspricht? Einfach auf die Tabelle gucken. Man muss aber nicht die große Keule schwingen, um Magdeburgs Misere zu erklären. Der FCM wird seit Saisonstart permanent von Verletzungsausfällen und Formschwankungen geplagt, die sowohl die Leistungsträger des Vorjahrs als auch die Sommertransfers sowie die Nachverpflichtungen betreffen. Die ehemaligen FCK-Nachwuchsspieler Luca Schuler und Leon Bell Bell, feste Größen im Aufstiegsjahr, haben sich ebenso bis auf Weiteres in den Krankenstand verabschiedet wie der im September nachverpflichtete Cristiano Piccini. Mittelstürmer Kai Brünker tauchte zwischenzeitlich ebenso ab wie der eigentlich zuverlässige Achter und KapitänAmara Condé. Und das sind nur einige wenige Beispiele. Besonders turbulent gestalteten sich die Wechselspiele in der Defensive. Seit Mitte der Hinrunde setzt Titz öfter auf mal eine Dreierkette. Beim 2:1 in Hannover zuletzt bildeten diese die Sommertransfers Silas Gnaka, Daniel Elfadli und Wintereinkauf Daniel Heber.

Gewinner und Verlierer: In diesem ständigen Auf und Ab fiel eigentlich nur einer positiv auf: Moritz-Broni Kwarteng, der sich prächtig weiterentwickelt, seit ihn FCM-Sportchef Otmar Schork im Januar 2022 vereinslos vom Markt fischte. Mit sieben Treffern und drei Vorlagen ist der 24-Jährige bislang bester Scorer des Teams. Im Hinspiel erzielte er zwei Tore und bereitete ein weiteres vor. Baris Atik dagegen, mit sage und schreibe 19 Treffern und 22 Vorlagen überragender Akteur der Aufstiegssaison, versprüht nicht mehr ganz den Glanz dieser Tage. Er wird im nunmehrigen 3-4-3 vornehmlich nur noch als Flügelmann eingesetzt, nicht mehr als bisweilen buchstäblich "unfassbarer" Pendler zwischen Neuner- und Zehnerposition. Zuletzt in Hannover traf Atik allerdings und schraubte seine Konten auf fünf Einschläge und vier Vorlagen hoch - immerhin. Zweiter Torschütze in Niedersachsen war Luc Castaignos, den der FCM in der Winterpause holte - mit großen Hoffnungen, stand der Stürmer doch schon bei einigen internationalen Topklubs unter Vertrag, unter anderem Eintracht Frankfurt. Der Treffer ist jedoch bislang der einzige Arbeitsnachweis des Stürmers, der als Lichtblick gelten darf. Die Flügelflitzer Jason Ceka und Tatsuya Ito, die im Hinspiel der Lautrer Abwehrreihe höllisch zusetzten, verzeichnen bislang nur acht, beziehungsweise sechs Startelf-Einsätze. Zuletzt präsentierten sich beide jedoch in aufsteigender Form. Mit sechs Assists ist Ceka trotz vieler Kurzeinsätze bester Vorbereiter seines Teams, Moskito Ito überragte in Hannover als Einwechselspieler, bereitete beide Treffer vor. Was ihn zum heißen Startelf-Kandidaten für Freitag machen dürfte.

Zahlenspiele: Laut "Wyscout" haben sie im Schnitt 59,7 Prozent Ballbesitz pro Spiel. Damit befinden sich die Magdeburger in der Gesellschaft von Top-Teams wie Paderborn und Hamburg. Und sie erlauben dem Gegner im Mittel nur 8,35 Zuspiele, bis sie ihn attackieren, darin sind sie sogar Spitze vor Kiel, Hamburg und Darmstadt. Und wie nicht anders zu erwarten, liegen sie auch in den Pass-Rankings weit vorne. Dennoch sind sie nur Tabellen-14. und haben zuhause erst magere acht Punkte geholt ... Interessant auch: Laut "bundesliga.de" gewinnen die Magdeburger so wenige Kopfballduelle wie kein anderes Team. Ihre Gefährlichkeit bei Eckbällen liegt 69 Prozent unter dem Zweitliga-Durchschnitt, die Lautrer dagegen rangieren 35 Prozent über dem Mittelwert, nur Darmstadt ist da besser. Was uns wieder mal zu der Erkenntnis führt: In der Luft müsste für die Roten Teufel eigentlich was gehen, wie auch im DBB-Forum mit Blick auf die Körpergrößen beider Mannschaften bereits analysiert wurde. Ebenfalls bemerkenswert: Im Ranking "Freistoß-Gefahr" findet sich der FCM auf Platz eins, der FCK auf Platz zwei wieder.

Fazit: Damit wären wir bei der Frage, über die sich Fußball-Nerds so gerne die Köpfe heißreden, die verantwortliche Trainer meist aber nur nervt, wenn Journalisten sie stellen: Vierer- oder Dreierkette? Insgeheim werden sich das diesmal wohl beide Trainer fragen, denn beide sind in diesem Punkt flexibel. Und beide wissen, dass der Gegner starke Flügelspieler aufbieten kann. In Taktik-Büchern wird in der Regel davor gewarnt, Dreierketten gegen Sturmreihen mit starken Außen aufzubieten, denn die würden diese zu weit auseinander ziehen und Lücken entstehen lassen. In der Praxis ist allerdings festzustellen, dass Trainer, die auf eingespielte Teams mit Dreierkette vertrauen, dergleichen kaum kümmert. Wenn die Schienenspieler darin geübt sind, sich in die hintere Reihe einzufädeln, sobald es nötig wird, bleiben die Räume dicht. Und wir erinnern uns: Im Hinspiel stellte Schuster beim Pausenstand von 2:3 sogar bewusst auf Dreierkette um, obwohl Ito, Kwarteng und später Ceka an den Seiten jede Menge Wirbel machten. Allerdings tat er dies, damit sein eigenes Team aus einer 3-4-3-Formation heraus mehr Zug zu Gegners Tor entwickelte, die Abwehr wurde dadurch nicht unbedingt sattelfester. Ob er seine Startelf diesmal nun von Beginn im 3-4-3 anordnet? Wir wissen es nicht, können nur raten - und tippen mal: Er wird bei der Viererkette bleiben. Weil Aaron Opoku und Co. mit echten Außenverteidigern im Rücken noch stärker aufdrehen können - und dann steht Christian Titz vor der Frage, mit welcher Kette er ihnen begegnen will. Und auch wenn Jean Zimmer gegen Fürth zuletzt einen gebrauchten Tag erwischte: Wir würden den Capitano wieder aufbieten, weil er mit seiner Schnelligkeit und seinem niedrigen Schwerpunkt als Gegenspieler für Atik oder Ito besser geeignet ist als Mitbewerber Erik Durm. Vor allem dran denken: Wer auswärts bisweilen so brillant aufspielt, daheim aber nur so spärlich punktet wie der FCM, hat in erster Linie ein Kopfproblem. Das gilt es auszunutzen. Und, wie Dirk Schuster es in unserem DBB-Interview im Dezember ausdrückte: "Ab und an auch mal vor einem gewissen Ekelfaktor nicht zurückschrecken."

Quelle: Der Betze brennt

Weitere Links zum Thema:

- Freitag, 18:30 Uhr: Knackt der FCK die 40-Punkte-Marke? (Der Betze brennt)

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