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Straßenfußballer mit Ausraster: Aaron Opoku im Porträt

Straßenfußballer mit Ausraster: Aaron Opoku im Porträt

Foto: Imago Images

Der 1. FC Kaiserslautern hat Aaron Opoku verpflichtet. Eine durchaus schwierige Personalie, bleibt der 23-Jährige schließlich noch vier Spiele gesperrt. Seine Tätlichkeit ist aber kein Anlass, die Moralkeule zu schwingen. Sein Potenzial bleibt unbestritten.

Der Spieler hatte wenige Tage nach seiner Tätlichkeit gegenüber Fabian Holland im Spiel des Hamburger SV gegen Darmstadt 98 persönlich Stellung genommen. In seiner Instagram-Story entschuldigte er sich für sein brutales Foul, akzeptierte die damit verbundenen Konsequenzen und versicherte, daraus lernen zu wollen.

Beleuchtet werden soll an dieser Stelle auch mal der Hintergrund, der seinen Teil zu diesem Ausraster beigetragen haben dürfte. Aaron Opoku war im Sommer nach Hamburg zurückgekehrt, nach einer überragenden Saison als Leihgabe an den Drittligisten VfL Osnabrück. Überzeugt, nun endlich den Durchbruch zu schaffen bei dem Klub, dem er seit seinen Jugendjahren angehört hat. Nach der Vorbereitung aber drückte er abermals nur die Bank, ehe er zu zwei Kurzeinsätzen kam.

Frust und Jähzorn: Eine Erklärung, aber keine Entschuldigung

Zuletzt verpflichtete der Klub den Franzosen Jean-Luc Dompé, der über die gleichen Einsatzoptionen verfügt wie er. In dieser Situation, in der ziemlich klar geworden war, dass er in seinem Stammverein auch diese Saison keine Rolle spielen würde, wurde Opoku nun erneut eingewechselt. Acht Minuten später kam es zu dem wütenden Tritt, nachdem ihn sein Gegenspieler am Trikot festhielt und ihn so am Durchstarten hinderte. Da dürfte zum Jähzorn also auch viel Frust gekommen sein.

Geschäftsführer Thomas Hengen nutzt die Gelegenheit nun, Opoku an den Betzenberg zu lotsen. Dabei profitiert er dem Vernehmen nach davon, dass er durch die noch andauernde Sperre Okopus dessen Ablöse drücken konnte. Das mag nun bissige Kommentare von selbst ernannten Anstandsverfechtern nach sich ziehen, gerade auch aus gewissen Fan-Foren. Die aber an Klub und Spieler genauso abperlen dürfen wie Vokabeln à la "HSV-Treter" oder "Brutalo", mit denen die Boulevardmedien Opoku zuletzt bedacht haben. Dass Hengen einfach nur clever gehandelt hat, zeigen auch die Bemühungen anderer Profi-Vereine, die den Außenstürmer nun offenbar ebenfalls nicht dauerhaft gebrandmarkt sehen: Eintracht Braunschweig, Dynamo Dresden und der FC Basel boten angeblich ebenfalls mit.

Gibt Opoku sein FCK-Debüt ausgerechnet gegen den HSV?

Auch der HSV bricht den Stab über seinen nun abwandernden Spieler nicht. Eine vereinsinterne Strafe werde es nicht geben, erklärte Sportvorstand Jonas Boldt: "Wir gewinnen und verlieren gemeinsam." Darum werde die 1:2-Niederlage auch nicht an seiner Person festgemacht. "Er ist noch jung, aber so etwas darf ihm definitiv nicht noch mal passieren", so Boldt. Im Übrigen war die Atmosphäre in dieser Partie generell aggressiv aufgeladen. Es gab insgesamt drei Platzverweise, auch Funktionär Boldt wurde mit Geld-Rot auf die Tribüne geschickt.

Natürlich: Der Neuzugang muss seine gerechte Strafe von nun noch vier Spielen Sperre nun bei seinem neuen Verein absitzen. Sein erster Einsatz im FCK-Trikot wäre damit am 9. Oktober möglich. Und da spielen die Roten Teufel gegen wen wohl? Richtig: den Hamburger SV.

Schnell, stark im Eins gegen Eins und ein guter Vorbereiter

Dem Fußballspieler Opoku bescheinigte der damalige VfL-Trainer Daniel Scherning vergangene Saison unter anderem "Gradlinigkeit, Zielstrebigkeit und Tiefgang". Opoku sei "einer der Aktivposten" des VfL-Spiels und "in der Lage, durch seine Geschwindigkeit und sein gutes Eins gegen Eins in den Rücken der Kette zu kommen." Zudem könne er über beide Flügel angreifen, auf beiden sei er "unangenehm zu verteidigen". Er dürfe aber noch öfter den Torabschluss suchen, auch aus der zweiten Reihe. Insbesondere mit dem rechten Fuß sei er dabei stark.

Die lobenden Worte fand Scherning im März 2022 nach einem 3:1 gegen Viktoria Berlin. Opoku staubte in dieser Partie die Bestnote ab, erzielte einen Treffer selbst und bereitete einen weiteren per Eckball vor. Dazu kam ein Alu-Treffer. Im Zusammenschnitt dieser Partie ist zu erkennen, wie stark er den Ball auf engem Raum behaupten kann. Und mehr noch als der Abschluss ist sein Pass unmittelbar vor dem Treffer hervorzuheben, mit dem er seinen Mitspieler Marc Heider in die Tiefe schickt. Ohnehin ist Opoku im Tore vorbereiten stärker als im Treffen. 15 Assists stehen für ihn in der Spielzeit 2021/22 zu Buche, allerdings nur drei selbst erzielte Buden. Der "Kicker" stufte seine Leistungen seiner Sommer-Rangliste der 3. Liga als "herausragend" ein.

» Zum Video: Opokus Tor und Vorlage gegen Viktoria Berlin

Hacke und Pirouette: Bereits mit 20 "Torschütze des Monats"

Und Viktoria scheint dem gebürtigen Hamburger mit ghanaischen Wurzeln besonders zu liegen: Im Juli 2019 war Opoku gegen sie schon einmal erfolgreich, und zwar gegen die Viktoria aus Köln: Gegen sie erzielte er das "Tor des Monats" Juli. Opoku trug seinerzeit das Trikot von Drittligist Hansa Rostock, des ersten der drei Klubs, zu denen der HSV sein Talent in den vergangenen Jahren auslieh. In der Saison 2019/20 kam der damals 20-Jährige zu 26 Startelf- und sieben Kurzeinsätzen, in denen er fünf Treffer erzielte und sechs Torvorlagen erzielte. Hansa-Sportvorstand Martin Pieckenhagen sagte damals über ihn: "Aaron gehört zu den großen Talenten beim HSV. Er ist extrem schnell, technisch gut und sehr ehrgeizig. Nicht umsonst stand er auch bei vielen anderen Vereinen auf dem Zettel."

» Zum Video: Opoku-Tore für Rostock 2019/20

Nach seiner ersten Rückkehr in die Heimat verlängerten die Hamburger seinen Vertrag bis 2024 und liehen ihn im Oktober 2020 abermals aus - zum Zweitligisten Jahn Regensburg. Eine Klasse höher fiel seine Bilanz jedoch wesentlich schlechter aus. Nur sechs Startelfeinsätze, ein Treffer, zwei Assists. Auch das ihm ausgestellte Zeugnis ist nicht das allerbeste. "Aaron hat definitiv ein ganz großes Talent mit in die Wiege gelegt bekommen", urteilte Jahn-Geschäftsführer Christian Keller. "Dieses Talent hat er bei uns auch immer mal wieder andeuten können. Leider nicht so konstant, wie wir uns das alle erhofft hatten." Und weiter: "Er muss sich über sein überlegenes Talentpotenzial bewusst werden und hart daran arbeiten, dieses Talent in Form von Qualität konstant auf den Platz zu bringen. Wenn er das schafft, werden wir noch einiges von ihm hören."

Der Spielabbruch: Rassismus-Vorwurf bleibt unbestätigt

Die größte mediale Aufmerksamkeit, die Aaron Opoku bislang erfuhr, hatte mit Fußball freilich nur indirekt zu tun. Am 19. Dezember 2021 brach Schiedsrichter Nicolas Winter die Partie des VfL Osnabrück beim MSV Duisburg ab, weil Opoku nach seiner Wahrnehmung von MSV-Fans rassistisch beleidigt worden war. Es war das erste Mal, dass im deutschen Profifußball ein Spiel aus einem solchen Anlass abgebrochen wurde. Die anschließenden polizeilichen Ermittlungen vermochten Opokus Darstellung allerdings nicht zu erhärten, das Spiel wurde auf Wunsch beider Vereine wiederholt.

"Ich bin ein Straßenkicker und will das so gut wie möglich auf den Platz bringen", sagt Opoku über sich selbst. Seinen ersten Lizenzspielervertrag unterschrieb er 2018. Zuvor hatte er die U19 des HSV als Kapitän zur Vizemeisterschaft in der A-Junioren-Bundesliga Nord/Nordost geführt und dazu 15 Tore und vier Vorlagen beigetragen. "Er hat eine tolle Entwicklung vollzogen und wir hoffen alle, dass er diesen Weg weiter geht", erklärte der damalige HSV-Sportvorstand Ralf Becker. "Er ist ein Spieler mit hohen individuellen Qualitäten, der sich schnell an das hohe Niveau anpassen wird."

Die Lungen-OP: Schwerer Rückschlag zum Karrierestart

Dass die Prophezeiung dann doch nicht so bald eintraf, lag auch an einem schweren gesundheitlichen Rückschlag. Beim Aufwärmen vor einem Testspiel der U21 verletzte er sich an der Lunge. Eine Notoperation verhinderte schlimmere Folgen, der Spieler fiel zwei Monate aus. "In dieser Zeit habe ich das Leben wertschätzen kennenlernt", erzählt Opoku im Podcast "Athletes Room". In diesem stellt der nunmehr 23-Jährige auch unter Beweis, dass er durchaus in der Lage ist, sein eigenes Verhalten zu reflektieren.

Insofern darf der FCK hoffen, dass er aus dem jüngsten Eklat tatsächlich lernt. Zudem muss erwähnt werden, dass Opoku in seiner gesamten Karriere gerade einmal elf Gelbe Karten gesehen hat. Und der Platzverweis war gar sein erster. Charakterliche Rückschlüsse sollten aus den jüngsten Vorfällen also keine gezogen werden. Dass er fußballerisch die Klasse hat, die Roten Teufel zu verstärken, hat der er vergangene Saison in Osnabrück nachgewiesen. Dass es in den zähen Transferverhandlungen auch um die prozentuale Beteiligung an einem Weiterverkauf und/oder eine Rückkaufoption gegangen sein soll, zeigt, dass auch der HSV weiterhin an den Spieler und eine entsprechend positive Marktwertentwicklung glaubt.

Wer sich von Aaron Opokus an sich heiterem Naturell ein Bild machen möchte, dem gibt dieses für die VfL-Anhängerschaft produzierte "Lila oder Weiß"-Video aus seiner Zeit beim VfL Osnabrück dazu Gelegenheit.

» Zum Video: Aaron Opoku im VfL-Talk "Lila oder Weiß"

Quelle: Der Betze brennt

Weitere Links zum Thema:

- Poker beendet: Aaron Opoku wechselt vom HSV zum FCK (Pressemeldung FCK)

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