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Gegner-Check: Den Kiezkickern die Hölle heiß machen

Gegner-Check: Den Kiezkickern die Hölle heiß machen

Foto: Imago Images

Und weiter geht's mit den attraktiven Gästen im Fritz-Walter-Stadion: Der FC St. Pauli kommt, der Beinahe-Aufsteiger 2021/22. Aber ist er tatsächlich noch ein Top-Team? Da sollte man sich beim 1. FC Kaiserslautern nicht blenden lassen.

Die Totgesagten leben noch: Tabellenführer vom 9. bis zum 21. Spieltag, im DFB-Pokal unter anderem Borussia Dortmund bezwungen - es sah lange so aus, als würde St. Pauli in der Saison 2021/22 die Überraschungsmannschaft der 2. Bundesliga werden. Auf den letzten Metern fiel das Team von Coach Timo Schultz jedoch noch aus den Aufstiegsrängen. Im Sommer gingen mit Daniel-Kofi Kyereh und Guido Burgstaller die erfolgreichsten Offensivspieler und mit Philipp Ziereis und James Lawrence zwei Stamm-Innenverteidiger. Worauf viele für diese Spielzeit einen Absturz prophezeiten. Aber: Wider Erwarten starteten die Sankt Paulianer mit Erfolgserlebnissen. 3:2 zuhause gegen Nürnberg, 2:2 in Hannover und im DFB-Pokal ein hart erzittertes, aber letztendlich eben doch erfolgreiches 4:3 gegen Regionalligist SV Straelen.

Nicht blenden lassen: Allzu sehr beeindrucken lassen sollten sich die Roten Teufel von der bisherigen Bilanz ihrer Gäste jedoch nicht. Zum Saisonauftakt verspielten diese gegen den FCN beinahe noch eine 3:0-Führung, in Hannover und in Straelen wurden Punkte und Weiterkommen erst in der Nachspielzeit gesichert. Sieben Gegentreffer in drei Partien zeugen nicht gerade von defensiver Stabilität. Überhaupt lebte der Beinahe-Aufsteiger der vergangenen Saison von einer starken Hinrunde. In der "Jahrestabelle 2022" rangiert St. Pauli lediglich auf Rang 10. Den gleichen Rang nehmen sie in der Auswärtstabelle 2021/22 ein. Ein Top-Team waren die Kiezkicker eigentlich nur am heimischen Millerntor, und das sind sie wahrscheinlich auch jetzt noch.

Die Konstanten: Einer der Leistungsträger des Teams ist fraglos Leat Paqarada, der den abgewanderten Ziereis als Kapitän beerbt hat. Für den Fußballexperten Tobias Escher ist der Deutsch-Albaner aus dem Leverkusener Nachwuchs der "vielleicht beste Außenverteidiger der Zweiten Liga". Gegen den FCN markierte er einen Treffer selbst, einen weiteren legte er Jackson Irvine auf, einer weiteren interessanten Erscheinung im Sankt-Pauli-Dress. Australischer Nationalspieler mit schottischen Wurzeln. Feste Größe im Rauten-Mittelfeld seit Sommer 2021, als er vom FC Hibernian ans Millerntor wechselte. Trainer Schultz bescheinigt ihm "ein gutes Gefühl für Zweikämpfe". Irvine hat auch das 2:2 gegen Hannover in der Schlussminute markiert.

Die Hoffnungsträger: Nach dem Abgang Kyerehs wird nun von Lukas Daschner erwartet, dass er auf der Zehner-Position zu Konstanz findet. FCK-Fans werden sich noch an das technisch starke Ruhrpott-Gewächs aus seiner Drittliga-Zeit beim MSV Duisburg erinnern. Auf St. Pauli warf den nunmehr 23-Jährigen vergangenes Jahr eine Knieverletzung zurück. Gegen Nürnberg glänzte er mit einem Treffer und einer Vorlage. Von dem einst bei Werder Bremen ausgebildeten Johannes Eggestein, den die Hamburger aus Antwerpen zurückgeholt haben, erhoffen sie sich die Tore, die Burgstaller einst geschossen hat. Der 1,3-Millionen-Einkauf David Nemeth, der aus Mainz kam, soll eine der Lücken in der Innenverteidigung schließen. Bislang war der 21-Jährige allerdings verletzt, mittlerweile steht er wieder im Mannschaftstraining.

Die Fragezeichen: Stammkeeper Nikola Vasilj fällt wegen eines Fingerbruchs weiter aus, wird aktuell von Dennis Smarsch vertreten. Am Montag durfte der 23-Jährige im "Kicker" lesen, dass die sportliche Leitung nach einem neuen Keeper fahndet, weil sie mit seinen Auftritten bislang nicht zufrieden ist. Inwieweit ihn dies für seinen Einsatz am Betzenberg motiviert, wird sich weisen. Dem Stamm-Innenverteidiger Jakov Medic verweigerte Sportchef Andreas Bornemann einen angestrebten Wechsel zum VfB Stuttgart. Ob er das mit Leistung dankt, bleibt ebenfalls abzuwarten. In Straelen jedenfalls markierte Medic den 4:3-Siegtreffer.

Vom Angstgegner lernen: Die Hannoveraner werden sich über den späten Ausgleich auch insofern geärgert haben, als dass sie vergangene Saison beide Spiele gegen St. Pauli gewannen. Einen anderen, der ebenso erfolgreich war, könnte Dirk Schuster vielleicht mal anrufen: den Pfälzer Torsten Lieberknecht, der den FCSP mit Darmstadt 98 zwei besonders schmerzhafte Niederlagen beibrachte. In der Hinrunde beendete er mit 4:0 eine Serie von sieben Spielen ohne Niederlage mit sechs Siegen, in der Rückrunde beerdigte er mit einem 2:1 am Millerntor am 31. Spieltag maßgeblich die Aufstiegsträume der Kiezkicker. Prägendes Stilmittel der Lilien in beiden Partien: scharfes Angriffspressing. Insbesondere, wenn die Sankt Paulianer versuchten, den Ball flach von hinten herauszuspielen.

Fazit: Der FCK sollte sich von dem Narrativ, der FC St. Pauli sei nach wie vor ein "Top-Team" der 2. Bundesliga, nicht beeindrucken lassen. Forsches Pressing nach Lieberknecht-Art wäre gerade auch angesichts der bislang zu Tage getretenen Defensivprobleme der Hamburger angezeigt. Für die Schuster-Jungen wäre dies allerdings mit einem Stilwechsel verbunden. In ihren ersten Pflichtspielen haben sie eher überzeugt, wenn sie abwartend agierten und Balleroberungen tiefer im Feld suchten. Doch die Roten Teufel dürfen sich auch von ihren eigenen guten Ergebnissen und Leistungen nicht blenden lassen. Sie haben in allen dreien Partien bislang eine Führung wieder abgegeben. Da müssen sie aufpassen, dass nicht das entsteht, was ein gewisser Milan Sasic einst "eine negative Kontinuität" nannte.

Quelle: Der Betze brennt

Weitere Links zum Thema:

- Sonntag, 13:30 Uhr: Highlight-Heimspiel gegen St. Pauli (Der Betze brennt)

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