Hall of Fame: Werner Melzer

Der Mann im Hintergrund

Der Mann im Hintergrund

Foto: Imago Images

Einst galt er als des Kaisers Thronfolger, wurde aber "nur" Bundesliga-Rekordspieler des 1. FC Kaiserslautern. Heute wird Werner Melzer 70 Jahre alt. Zeit für eine Würdigung, trocken gewürzt mit Kommentaren des Geburtskinds.

437 Pflichtspiele hat er im Dress der Roten Teufel bestritten, davon 374 in der Bundesliga. Damit ist er der Profi mit den meisten Einsätzen für den FCK in der Eliteklasse, und das wird er wohl auch bleiben. Denn dass ein Kicker seinem Verein zwölf Jahre die Treue hält, ist heute nicht mehr üblich. Werner Melzers Bekenntnis zum FCK klingt allerdings weniger wie ein feuriger Schwur, eher wie eine nüchterne Feststellung. "Wenn du immer nur einen Verein gehabt ist, dann ist das dein Verein, das lässt sich nicht ausblenden."

Sein Herz auf der Zunge zu tragen, ist nunmal nicht des Pfälzers Ding. Drum verfolgt er den Betze weiterhin interessiert, erklimmt den Betze auch alle paar Wochen, doch sind von ihm nie markige Worte zum aktuellen Vereinsgeschehen zu hören oder zu lesen - wie die, zu denen sich gewisse andere Ehemalige gerne gefragt oder ungefragt hinreißen lassen. So war es auch schon damals auf dem Platz. Die Kapitänsbinde beispielsweise hat Werner Melzer immer anderen überlassen, obwohl man ihm sie angesichts seiner Einsatzzeiten durchaus hätte antragen können. Er blieb aber lieber der Mann im Hintergrund. Bis heute. 70 Jahre alt wird er am heutigen Donnerstag.

43 Tore? "Es hätten doppelt so viele sein können"

Aus dem Hintergrund hat er auch die meisten seiner Tore erzielt. In der Regel technisch sauber ausgeführte Spannstöße. 43 Mal hat er getroffen, das ist ziemlich viel für einen Spieler, der meist aus dem hinteren Mittelfeld kam. "Es hätten doppelt so viel sein können, wenn ich nicht so viel über die Torlatte gejagt hätte", erinnert sich der Mann aus Clausen mit der heiteren Gelassenheit eines Seniors, der gerne auf seine Laufbahn zurückblickt, aber auch erkannt hat, dass Fußball, anderslautenden Meinungen zum Trotz, eben doch keine Angelegenheit von Leben und Tod ist.

Einer seiner Treffer ist legendär und heute noch auf "YouTube" zu besichtigen:

» Zum Video: Werner Melzer trifft für den FCK gegen den BVB

Sein 3:1 im Auswärtsspiel gegen Borussia Dortmund im Oktober 1978. "Schlecht war der nicht", erklärt Melzer mit dem für ihn typischen Understatement. So "ein, zwei Mal" habe er sich den Treffer auch selbst angesehen, "aber der Eisenbieger hat im gleichen Spiel ein mindestens genauso schönes Tor gemacht." Eisenbieger, Insider werden sich erinnern, war der erlernte Beruf von Lauterns schwedischem Linksaußen Benny Wendt. Und "Tor des Monats" wurde Melzers Meisterschuss auch nicht. Diesen Titel sicherte sich im Oktober 1978 Gerd Müller.

Vom FKC zum FCK - und die große, neue Libero-Hoffnung

Er selbst kickte damals schon im fünften Jahr beim FCK. 1974 war er von seinem Heimatverein FK Clausen an den Betzenberg gewechselt. Mit dem FKC war er zuvor Meister der 1. Amateurliga Südwest geworden, hatte sich in dieser Saison auch die Torschützenkrone geholt, und das als Mittelfeldspieler. In Lautern war er ab dem 4. Spieltag 1974/75 regelmäßig dabei. Als sich Dietmar Schwager nach 14 Spieltagen verletzte, setzte Trainer Erich Ribbeck Melzer als Libero ein, und als "de Dittes" am Ende dieser Spielzeit seine Karriere beendete, bekleidete er die Position dauerhaft.

Dabei machte er eine ausgezeichnete Figur. Der Clausener interpretierte die Rolle anders als der klassische Ausputzer Schwager, mehr im eleganten Stil Franz Beckenbauers. Dergleichen war am Betzenberg, wo seit Anbeginn der Bundesliga der Kampf stets über dem Spiel stand, bis dato unbekannt - "so mancher hat sich die Augen gerieben", weiß auch der Jubilar noch.

Werner Melzer sei ein "technisch sehr guter, leichtfüßiger Libero" gewesen, steht in der Enzyklopädie des deutschen Ligafußballs geschrieben, "einer, der die Bälle ablief, kein Zweikampftyp". Und einige Fußballbeschreiber, auch die vom "Kicker", begannen in diesen Tagen zu mutmaßen, der damals 21-Jährige könne dereinst den Kaiser in der Nationalelf beerben, der 1975 gerade das 30. Lebensjahr überschritt.

Und dann kam Kalli

Nach 1976 ebbte dieser Hype jedoch ab. Melzer blieb zwar feste Größe im FCK-Team, "aber meine Leistungen waren nicht mehr optimal", bekennt er im Rückblick. Erst ab 1978 startete er wieder durch. Kalli Feldkamp war als Trainer auf den Betzenberg gekommen und formte die graue Bundesliga-Maus zum Spitzenteam. Gleich in seinem ersten Amtsjahr hievte er die Roten Teufel am Ende auf Rang 3, nachdem sie 26 Spieltage lang Tabellenführer gewesen waren. Ronnie Hellström im Tor, Hans-Peter Briegel und Hans-Günter Neues in der Innenverteidigung, Reiner Geye und Hannes Bongartz im Mittelfeld, vorne Klaus Toppmöller - das ergab ein Mannschaftsgerüst, das im Grunde stärker war als das Team, mit dem Feldkamp 1991 Deutscher Meister werden sollte. Dem ein Titel aber immer knapp verwehrt bleiben sollte: zwei dritte, zwei vierte Plätze in der Liga, einmal Uefa-Cup-Halbfinale und ein DFB-Pokal-Finale, das verlorenging.

Werner Melzer war immer dabei, natürlich auch beim legendären 5:0-Sieg über Real Madrid. Feldkamp stellte ihn allerdings wieder ins Mittelfeld ein, vor das Duo Neues/Briegel, wo der Clausener wieder aufblühte. 1978 kam er dreimal in der B-Nationalelf zum Einsatz. Als Sechser war er wieder der Mann der Hintergrund, für die Schlagzeilen sorgten meist andere. Der Trainer aber wusste um seine Qualität - und um die Ruhe, die er ausstrahlte, auf und neben dem Platz. Als Melzer mal für einige Spiele ausfiel, musste er auf der Bank neben Feldkamp Platz nehmen: "Der Werner ist für mich wie Baldrian", verriet King Kalli den Kollegen der "Rheinpfalz".

Erinnerungen an zwei Cupfinals: eher unschön

Das Pokalfinale 1981, in Stuttgart gegen Eintracht Frankfurt, war bereits das zweite, das Werner Melzer für den FCK bestritt. 1976 waren die Roten Teufel in Frankfurt auf den Hamburger SV getroffen. Mit Rudi Kargus im Tor, Manfred Kaltz als rechtem Verteidiger, den überragenden Innenverteidigern Peter Nogly und Horst Blankenburg, dem legendären Schorsch Volkert auf Linksaußen - und der FCK? Dem fehlte Torjäger Klaus Toppmöller, der einige Tage zuvor einen Autounfall hatte, mit seinem - was war das noch - Porsche? "Ferrari Dino, bitte", korrigiert das Geburtskind. Sein Gedächtnis funktioniert immer noch einwandfrei. Leider auch, wenn es nicht so schöne Erinnerungen auszutauschen gilt.

"Wir hatten keine Chance", blickt er auf die glatte 0:2-Niederlage gegen den HSV zurück. Unerträglich heiß sei es gewesen. "Damals mussten die so ein Pokalfinale ja unbedingt noch nachmittags um 15:30 Uhr anpfeifen. Ich war zwar dabei, aber mehr auch nicht." Das Finale in Stuttgart fünf Jahre darauf war ebenso schweißtreibend - und ging ebenfalls verloren. "Da waren wir aber wesentlich besser im Spiel."

Ein, zwei gute Chancen hatten die Pfälzer - "eine davon habe ich vergeben" -, ehe Willi Neuberger die Frankfurter nach 38 Minuten in Führung brachte. Mit einem Hinterhaltsschuss, der auch Werner Melzer gut zu Gesicht gestanden hätte. Ronnie Borchers machte zwei Minuten später den Doppelschlag perfekt, danach war das Spiel gelaufen. Womöglich dieser unerfreulichen Erinnerungen wegen zieht es Melzer am 25. Mai auch nicht nach Berlin, wenn sein Verein im Pokalfinale auf Bayer Leverkusen trifft. "Ich schau’s mir lieber im Fernsehen an."

Nochmal zwei Buden gegen Saarbrücken, dann war Schluss

Nach Feldkamp erlebte er Rudi Kröner, Ernst Diehl, Manfred Krafft und seinen einstigen Mitspieler Hannes Bongartz als Trainer. Unter allen stand er nach wie vor fast in jedem Spiel auf dem Rasen. Nach der Saison 1985/1986 machte er Schluss. "Am 34. Spieltag machte ich bei unserem 6:0-Sieg in Saarbrücken zwei Tore. Jetzt kann nichts mehr kommen, dachte ich." Typisch Melzer halt. Karriere-Ende mit 32 Jahren, ohne dass eine Verletzung im Spiel ist - heute eher unüblich, "aber ich hatte damals wirklich das Gefühl, dass meine Zeit vorbei ist".

Danach kickte und coachte er immer mal in Clausen. Von 1991 bis 1997 trainierte er das Amateurteam des FCK, 1999 folgte er seinem Kumpel Klaus Toppmöller als Co-Trainer nach Saarbrücken, 2003 nach Hamburg. Ob er mal Ambitionen hatte, selbst Cheftrainer zu werden? Nicht wirklich. "Da hätte ich mir zur richtigen Zeit mehr Gedanken machen müssen." In den 2010er Jahren war er für den FCK ein paar Mal als Scout unterwegs, ohne es an die große Glocke zu hängen. Ist halt nicht sein Stil. 2019 wäre Melzer dann fast nochmal fester Talentesucher für die Roten Teufel geworden, aber der Deal platzte in den Wirren um Fast-Investor Flavio Becca, wie uns Klaus Toppmöller mal im DBB-Interview erzählte.

Heute erfreut sich Werner Melzer an seinen beiden Enkeln, spielt Golf - nicht, weil er den Sport wirklich liebt, sondern, "weil da halt ein Ball im Spiel ist" - und genießt ein entspanntes Pensionärsleben. Groß feiern will er seinen Siebzigsten nicht. "Vielleicht mach ich zum Achtzigsten was. Oder doch erst zum Neunzigsten." Der eine oder andere Weggefährte von einst wird sicher anrufen. Andere sind leider nicht mehr da, zu wieder anderen ist der Kontakt mit den Jahren eingeschlafen. "So ist das nunmal im Leben." Und außerdem sei man ja auch nicht mit jedem, mit dem man mal auf dem Platz stand, befreundet gewesen - "das wird meist ein bisschen übertrieben."

An den Klassenverbleib seines FCK glaubt er natürlich, "auch wenn es sehr schwer wird". Wie es danach weiter geht? Wer weiß. "Vielleicht liegen ja wieder große Zeiten vor uns. Wir müssen nur dran glauben."

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

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