Taktik-Nachlese zum Spiel FCS-FCK

DBB-Analyse: Der FCS erliegt dem Touré-tte-Syndrom

DBB-Analyse: Der FCS erliegt dem Touré-tte-Syndrom


Finaaale! Mit einem 2:0 beim 1. FC Saarbrücken löst der 1. FC Kaiserslautern sein Ticket nach Berlin. Der Schlüssel zum Erfolg waren weder Spiel- noch Zweikampfstärke, sondern Geduld. Und ein Funkel'scher Besetzungscoup.

"Mr. Cool" hat es wieder getan. Eine Kaderleiche wieder zum Leben erweckt und damit mächtig überrascht. Nach Ben Zolinski und Tobias Raschl holte Friedhelm Funkel nun Almamy Touré aus der Versenkung - der Malier war in den sechs Partien, in denen sich der Coach für den FCK verantwortlich zeichnet, noch nicht eine Sekunde zum Einsatz gekommen. Im Halbfinale des DFB-Pokals setzte er ihn nun als rechten Verteidiger ein, Capitano Jean Zimmer übernahm dafür die offensive Flügelposition auf dieser Seite.

Und? Als spielender Abwehrspieler hatte Touré lange Zeit Probleme mit der rauen Gangart dieses Halbfinal-Derbys, bescherte diesem dann aber die entscheidenden Momente. Das 1:0 durch Marlon Ritter bereitete er per Flanke vor, das 2:0 nach Freistoßflanke von Tymoteusz Puchacz erledigte er selbst per Kopf.

Tja, der Platz: Diesmal wurde er dem FCS zum Verhängnis

Dem Team des 1. FC Saarbrücken war monatelang nachgesagt worden, die Pokalwunder, die es bislang feiern durfte, seien auch auf einen Wettbewerbsvorteil zurückführen, den es wegen des schlecht angelegten Rasens im Ludwigspark genießen dürfe. Der sorge selbst bei nur mittelschweren Regenfällen für tiefes Geläuf, das in Pokalfights nunmal der unterklassigen Mannschaft zupass käme, weil diese naturgemäß mehr auf Kampf denn auf Spiel setzen müsse. Und diesmal? Sind die Saarbrücker selbst Opfer ihres problematischen Grüns geworden. Dass Ritters an sich harmloser Kopfball in der 53. Minute dem jungen FCS-Keeper Tim Schreiber durch die Beine flutschte, war offensichtlich dem tiefen Boden geschuldet: Das Leder setzte noch einmal auf und sprang in einem tiefen Abflugwinkel auf, den der Torsteher auch nicht intuitiv vorausahnen konnte. Die einen werden es hämisch mit "ausgleichende Gerechtigkeit" kommentiert haben, die anderen achselzuckend mit "Kismet" - und nur der FCS-Anhang wird über absolut unfassbares Pech lamentieren.

Die etwas weitschweifige Einleitung bitten wir zu entschuldigen. Aber für wirklich analytische Betrachtungen gibt dieses Spiel nicht viel her. Es war das Spiel zweier Mannschaften, von denen keine den ersten Fehler machen wollte und beide so hohen Respekt vor der Umschalt-Kompetenz des anderen hatten, dass sie sich bei gegnerischem Ballbesitz tief in die eigene Hälfte zurückzogen. Und die ballführende Mannschaft startete Versuche, sich durch den feindlichen Abwehrriegel zu knoddeln, immer nur zaghaft, da das Gros der Mitspieler hinterm Ball blieb. In erster Linie der Kontersicherung wegen, aber nicht nur: Um eine derart tief stehende Deckung zu überspielen, "fehlen uns auch die spielerischen Mittel", gab Friedhelm Funkel hinterher freimütig zu. Eben auch Mr. Cool, was ebenso ehrliche wie knochentrockene Analysen angeht.

Halbzeit eins: Außer Brünker nichts gewesen

Entsprechend arm an Höhepunkten blieb die erste Halbzeit. Für Lautern gab Filip Kaloc kurz vor der Pause den ersten Torschuss ab. Sein 18-Meter-Geschoss hatte aber weder den Drive und die Präzision, um Schreiber in Verlegenheit zu bringen. Für den vielversprechendsten Moment sorgte Ritter bereits in der 8. Minute, als er ums Haar kurz hinter der Mittellinie allein Richtung Tor gestartet wäre, hätte ihm nicht Saarbrückens zentraler Abwehrmann Manuel Zeitz in letzter Sekunde den Ball vom Fuß gespitzelt.

Überhaupt Ritter: Auffällig, wie sehr die Gastgeber bemüht waren, ihn mit Härte aus dem Spiel zu nehmen - das war wohl des Teil des Matchplans. Patrick Sontheimer und Marcel Gaus holten sich bei der Bekämpfung von MR7 sogar Gelbe Karten ab.

Die beste Torgelegenheit der ersten Hälfte verzeichnete ohne Frage Saarbrücken. Kai Brünker setzte in der 42. Minute nach einer Freistoßflanke einen stark angesetzten Flugball neben den Lautrer Kasten. Doch auch ohne diese Aktion hätte sich der FCK über einen Rückstand zur Pause nicht beschweren können. Er ließ im eigenen Verteidigungsdrittel zu viele Einwürfe zu, die vor allem Gaus mit der Schärfe von Flanken in den Strafraum schleudert. Dank der aufmerksamen Abwehrarbeit der Innenverteidiger Boris Tomiak und Jan Elvedi konnten diese zwar allesamt geklärt werden, ein paar Mal jedoch wurde es ziemlich knapp. So ein nicht weit genug weggeköpfter Ball kann eben schnell mal vor den Füßen eines Gegners landen.

Zudem mussten die Roten Teufel nach 30 Minuten einen Rückschlag hinnehmen: Kenny Redondo musste verletzt raus, Aaron Opoku kam. Redondo ist unter Lauterns Flügelspielern derjenige, der den defensiv wackeligen Puchacz am besten bei der Abwehrarbeit zu unterstützen versteht, außerdem hatte er in den jüngsten Derbys gegen Saarbrücken immer gescort. Sein Ausfall schwächte also nicht nur sportlich, sondern konnte auch als schlechtes Omen interpretiert werden.

Ritters Kopfballtor stellt die Weichen neu

Die zweite Hälfte schien ein wenig munterer zu werden. Die Teams schoben sich energischer nach vorne, wobei es eher die nach Ballverlust entstehenden Umschaltmomente waren, die vielversprechender waren - was aber niemand verwundern dürfte, der bis hierhin gelesen hat. Mit Ritters Kopfballtor acht Minuten nach Wiederanpfiff war dem Hin und Her aber schon wieder ein Ende gesetzt. Nun hieß es: Saarbrücken muss kommen, Lautern darf kontern. Wer mit was besser zurechtkam, dürfte wohl klar sein.

Eine Großchance hatte Saarbrücken freilich noch. Calogero Rizzuto stolperte Brünker den Ball aber eher vor die Füße, als dass er ihn gezielt anspielte. Dass der Stürmer diesen dann aus sechs Meter übers Tor drosch, mag auch seiner Überraschung geschuldet sein.

Ansonsten machte mit Zeitz nur noch ein Blau-Schwarzer nachhaltig auf sich aufmerksam. Wie er nach 62 Minute Opoku an der Mittellinie von den Beinen holte, damit der nicht den Sprint Richung Tor antreten konnte, war schon mehr Orange als Gelb. Die Aktion ging erkennbar gegen den Mann, der Ball war weit weg. Vermutlich rettete ihn die Auslegung, dass es sich um keine eindeutige Notbremse handelte. Na ja.

Nach Tourés 2:0 brachten die Lautrer dann das Spiel mit der Coolness über die Zeit, die ihnen ihr 70-jähriger Coach auf der Bank vorlebte. Der sein Team hinterher dann auch nicht für ein gutes Spiel lobte, sondern für die Geduld, mit der es die Chance zum Strike abgewartet hatte. Der für Daniel Hanslik eingewechselte Filip Stojilkovic hätte ums Haar sogar noch das 3:0 gemacht, doch bei seiner technisch sauberen Direktabnahme aus spitzem Winkel war Schreiber auf dem Posten.

Matchwinner Touré? Ja, aber da waren auch Elvedi und Tomiak

Da Touré wegen seines Treffers und seines Assists heute allerorten Bestnoten abstaubt - "Sofascore" etwa bewertet ihn mit sagenhaften 8,9 Punkten - soll seine Leistung hier noch ein wenig eingeordnet werden, um so auch den Darbietungen seiner Nebenleute gerecht zu werden. Abgesehen davon, dass Touré mit diesen beiden Aktionen unbestritten zum Matchwinner wurde, war sein Auftritt gar nicht so stark. Nur 76 Prozent Passgenauigkeit, nur 40 Prozent seiner Zweikämpfe um den freien Ball gewonnen - das kann er besser.

Dagegen Elvedi: Passquote 85 Prozent, gewonnene Zweikämpfe um den freien Ball 100 Prozent. Tomiak: Passquote 96 Prozent, gewonnene Zweikämpfe um den freien Ball ebenfalls 100 Prozent. Das sind Werte, mit denen sich zu Null spielen lässt.

Unterirdische xG-Werte - wen wundert's?

Womit wir die bei den Grafiken wären. 0.77 : 0,84 lautet das Ergebnis nach expected Goals. Schon allein daran lässt sich erkennen, wie viel vor den Toren los war.

xG-Timeline FCS-FCK

Die Passmap des FCK: Kaloc (26) als Umschaltsituation im zentralen Mittelfeld wird immer wertvoller.

Passmap FCK

Die Passmap der Gastgeber: Zeigt vor allem, wo sich beim FCS Ballbesitz abgespielt.

Passmap FCK

Und zum guten Schluss die Duell-Übersicht: Nein, über die Zweikämpfe hat der FCK dieses Spiel nicht gewonnen. Dann doch schon eher über seine Geduld. Aber die lässt sich schlecht visualisieren.

Zweikampf-Duelle FCS-FCK

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Saison-Übersicht 2023/24: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage

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