Taktik-Nachlese zum Spiel FCM-FCK

Die DBB-Analyse: Kein Mittel gegen die Micky Mäuse

Die DBB-Analyse: Kein Mittel gegen die Micky Mäuse


Null zu Zwei beim 1. FC Magdeburg. Dritte Auswärtsniederlage in Folge. Gegen einen stark beflügelten Gegner, gegen den der 1. FC Kaiserslautern zu selten zeigte, wie der Matchplan seines Trainers hätte aufgehen können.

Beide Übungsleiter hatten Erkenntnisse, die ihnen das irre 4:4 im Hinspiel bescherte, auch in ihre Vorbereitung auf diese Partie aufgenommen. Beim Torfestival im vergangenen August hatte FCM-Coach Christian Titz etwa dem robusten Julian Rieckmann einen seiner nur zwei Startelf-Einsätze gegönnt. Er stellte ihn auf die Sechser-Position, um seine beiden Innenverteidiger beim Abräumen langer Bälle auf Terrence Boyd zu unterstützen. Diesmal verhalf Titz dem 2,01 Meter großen Jamie Lawrence zu seinem erst sechsten Startelf-Einsatz dieser Spielzeit. Als Nebenmann des souveränen Daniel Heber in der Vierer-Abwehrkette sollte Lawrence Boyd unmittelbar beharken. Davor positionierte Magdeburgs Trainer den gelernten Innenverteidiger Silas Gnaka, um weite Zuspiele auf Lauterns zentralen Stürmer abzupflücken. Das funktionierte im Großen und Ganzen gut, Boyd verlebte keinen angenehmen Abend.

Dirk Schuster wiederum setzte in der Abwehr auf eine Dreierkette. Auf diese hatte er im Hinspiel erst nach 45 Minuten umgestellt, als sein Team 2:3 zurücklag. Sie sollte im Spiel gegen den Ball durch die beiden Schienenspieler Hendrick Zuck und Erik Durm zur Fünferkette ergänzt werden, auf dass diese den starken Magdeburger Flügelspielern die Räume eng macht. Das funktionierte diesmal, sagen wir es mal so, leidlich.

Viel Ballbesitz für Magdeburg, dann das erste Lautrer Lebenszeichen

Denn schon in der Anfangsphase zeigte sich: Baris Atik und Jason Ceka ließen sich so zwar einigermaßen bremsen, dafür aber bot sich den aufrückenden Außenverteidigern Raum nach vorne. Die ersten Prüfungen, die Andreas Luthe zu meistern hatte, wurden dem FCK-Keeper folgerichtig von Linksverteidiger Mohammed El Hankouri auferlegt, allerdings nur in Form von kernigen Distanzschüssen.

Erst nach 16 Minuten mit rund 80 Prozent Ballbesitz für den FCM zeigten die Betze-Buben, dass auch der Matchplan ihres Trainers was für sich hatte: Philipp Klement und Zuck doppeln auf der linken Seite vorbildlich den aufgerückten Rechtsverteidiger Herbert Bockhorn, dessen Zuspielversuch auf Atik schnappt sich Julian Niehues. Klement setzt mit langem, vertikalen Pass den links durchstartenden Ben Zolinski ein. Der flankt flach in die Mitte, wo Boyd auf den nachgerückten Klement ablegt. Der wiederum überlasst das Leder Niehues, tiefer Flachpass auf den in den Sechzehner startenden Durm, der als rechter Schienenspieler den Vorzug vor Jean Zimmer erhalten hat. Durm trifft den Pfosten, Boyd verwandelt den Abpraller, Treffer wird aber wegen Abseits aberkannt - zurecht.

So hatte Schuster sich das gedacht. Gut umschalten, präzise passen und vor allem: nachrücken, um sich einen abgewehrten auch mal direkt wieder zurückzuholen. Doch genau davon war im Lautrer Spiel viel zu wenig zu sehen. Der Zugriff auf die zweiten Bälle klappte nur sehr selten, fast immer war die Gastgeber einen Tick schneller.

Das 1:0: Ceka wie Messi, Kwarteng wie aus dem Lehrbuch

Nach dieser Aktion vermochten sich beide Teams eine Zeit lang gegenseitig zu neutralisieren. Bis nach 40 Minuten ein weiteres Puzzleteil in Titz' Matchplan passte. Dank des Einbaus des Abräumers Gnaka auf der Sechs durfte Magdeburgs bislang bester Torschütze Moritz-Broni Kwarteng öfter aus seiner Mittelfeldposition in die Spitze starten, als es ihm zuletzt im flachen 3-4-3 beim FCM-Auswärtssieg in Hannover möglich war. Dies gelang dem 24-Jährigen in diesem Moment geradezu lehrbuchmäßig, nicht minder genial angespielt von Ceka, der sich mit einem tödlichen Pass auf Lionel-Messi-Level bewegte. Niehues war zwar am Mann, fand aber keine Möglichkeit, Kwarteng am Schuss ins lange Eck zu hindern.

Mit diesem Treffer ging’s in die Pause. Die Roten Teufel im Rückstand, und bislang in einer Formation stehend, die eher auf Torsicherung ausgerichtet war ... Da waren nun wieder mal die Mentalitätsmonster gefragt, als die sich in dieser Saison schon öfter profiliert hatten. Und Trainer-Ideen, wie sie ebenfalls bereits mehrmals Wenden herbeigeführt haben.

Diesmal aber beließ es Schuster zunächst bei der von ihm zu Beginn gewählten Grundordnung. Für Mittelfeldspieler Marlon Ritter kam mit Tyger Lobinger zwar ein Stürmer, für diesen aber wurde Zolinski zurückgezogen. Denn der Wechsel sollte nicht das Team neu ausrichten, sondern einem Platzverweis Ritters vorbeugen. Der hatte von Schiedsrichter Michael Bacher bereits Gelb gesehen und eine finale Verwarnungsansprache erhalten.

56. Minute: Der FCK zeigt nochmal, wie es hätte gehen können

Die Männer in Rot rückten zwar nun ein wenig höher auf, kurz vorm Erfolg standen sie aber nur einmal: In Minute 56, als der - hört, hört - aufgerückte Innenverteidiger Kevin Kraus im gegnerischen Strafraum auf Boyd ablegte, dieser aber an FCM-Keeper Dominik Reimann scheiterte. Eingeleitet hatte die Szene ein Einwurf Nicolai Rapps. Darauf hatte der Gegner zwei Angriffsversuche abgewehrt, der Ball aber war in den Reihen der Roten Teufel geblieben. Weil sie geschlossen nachgerückt waren. Die Flanke aus dem Halbfeld, die Boyd beinahe verwertet hätte, hatte Zolinski geschlagen.

Mit dem mutigeren Aufrücken der Gäste schlug aber auch die Stunde der "Micky Mäuse" - so nennt Christian Titz sein zum Teil nur halbhoch gewachsenes Personal, das dafür aber über enormen Speed verfügt. Und tatsächlich: Gegen Atik und den zur Pause für Ceka eingewechselten Tatsuya Ito sahen Lauterns Abwehrhünen bisweilen aus wie Kater Karlo, der vierschrötige Gegenspieler der Disney-Figur.

Der flinke Ito besorgte nach 65 Minuten die Vorentscheidung. Atik hatte ihm das Leder mit der Hacke durch den FCK-Abwehrriegel vorgelegt.

Nach 70 Minuten krempelt Schuster um - Opoku ragt heraus

Zu Ehrenrettung der Schuster-Jungen muss gesagt werden: Aufgegeben haben sie sich auch da noch nicht. Zumal jetzt auch ihr Trainer reagierte und die Mannschaft radikal umkrempelte. Für Boyd, Zolinski und Rapp kamen mit Nicolas de Préville, Aaron Opoku und Philipp Hercher gleich drei Offensivkräfte, und die ordneten sich nun in einem 4-2-3-1 an. Und machten endlich Druck über die Flügel. Vor allem Opoku überragte in dieser Schlussviertelstunde.

Er bestätigte aber auch, was er schon vor Wochenfrist beim 3:1 im Heimspiel gegen Fürth angedeutet hatte: Auf der linken Seite ist er einfach stärker. In der Nachspielzeit legte er Hercher die beste Lautrer Einschusschance des ganzen Spiels auf. Wieder parierte Reimann. Sie hätte aber auch nicht mehr mehr bringen können als den Anschlusstreffer.

Nach der Partie gegen Fürth hatte Schuster Selbstkritik geübt: Er sei auf sich selbst sauer, weil er erst so spät sein System umgestellte. Diesmal unterließ der Trainer dergleichen, sprach stattdessen von einem verdienten Sieg der spielstarken Magdeburger und attestierte seinem Team ein "ordentliches Auswärtsspiel". So dass von seiner Seite die Frage unbeantwortet blieb: Hätte er die Flügelspieler früher, vielleicht sogar von Anfang an bringen müssen?

Es fehlte nicht an Enden, aber an Ecken

Wie immer, sind solche Fragen hinterher müßig zu diskutieren. Eine offensivere Spielanlage hätte den Magdeburger Micky Mäusen noch früher noch mehr Räume eröffnet. Dass die Dreier-/Fünfkette ein probates Mittel sein konnte, hat sich zumindest phasenweise bestätigt. Und da Schuster nur sehr ungern auf Zehner Klement verzichtet, sofern dieser hundertprozentig fit ist, wäre in einer Formation mit zwei offensiven Flügeln im Grunde nur ein 4-2-1-3 oder ein 4-2-3-1 denkbar. Ein nachhaltig erfolgreiches 3-4-3 mit Raute, das gab's zuletzt beim seligen Johan Cruyff im Barcelona der 1990er Jahre. Und der hätte damit, auf einem Berg im Pfälzer Wald, zumindest einmal ums Haar sein Waterloo erlebt, aber das ist Schnee von gestern.

Die Lösung wäre wohl gewesen, in der gewählten Formation situativ, aber öfter und entschlossener aufzurücken. Um so vor allem mehr ruhende Bälle im gegnerischen Angriffsdrittel heraufzubeschwören. Wir erinnern uns: Beim 4:4 im Hinspiel erzielte der FCK einen Treffer nach einem Eckball, einen anderen nach einem Freistoß. In dieser Partie verzeichnete er über die gesamte Spieldauer nur zwei Ecken.

Zahlen erklären nicht alles - auch die Laufleistung nicht

Und das sagen die Statisten und Grafiken sonst so? Die xG-Timeline bestätigt. Richtig aktiv Richtung gegnerisches Tor wurde der FCK erst so ab Minute 75. Die Titz-Elf FCM dagegen versprühte über die gesamte Spielzeit Torgefahr.

xG-Plot FCM-FCK

Die Positions- und Passgrafik. Eigentlich eine durchaus lebendige Passkommunikation. Wenn auch viel durch die Mitte. Und Ritter hing ziemlich in der Luft.

Passmap FCK

Und noch interessante Information für alle, die der Gesamtlaufleistung gerne viel Bedeutung beimessen. Dies war eines der wenigen Spiele bislang, in der die Roten Teufel ihren Gegner in dieser Rubrik überflügelten. Sie rannten 115,1 Kilometer, die Magdeburger nur 114,4 Kilometer. Und dennoch verloren sie dieses Spiel so klar wie noch keines zuvor. Und verzeichneten auch nicht mehr Tor-Aktionen und mehr Abschlüsse innerhalb des Strafraums, nicht einmal mehr Ecken. Obwohl sie dies alles ansonsten fast immer haben. Auch wenn der Gegner immer mehr Ballbesitz hat.

Zum Vergleich die Positions- und Passgrafik des 1. FC Magdeburg. Dass Atiks Spot in der Mitte auftaucht, dürfte daran liegen, dass er ständig die Seiten wechselte. Worauf sich die Software dann eine Art Mittel errechnete und den Spot im Zentrum setzte.

Passmap FCM

Und last but not least die beliebte Übersicht über die geführten Duelle. Zeigt, wie schwer Lawrence Boyd das Leben machte. Aber auch die respektable Zweikampfbilanz Durms.

Durchschnittliche Aufstellungslinie FCM-FCK

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Saison-Übersicht 2022/23: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage

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