Taktik-Nachlese zum Spiel FCK-MSV

Die Taktikanalyse: Es hilft nichts - eine Kante muss her

Die Taktikanalyse: Es hilft nichts - eine Kante muss her

Foto: Eibner-Pressefoto/Alexander Neis

Nach dem Beinahe-Triumph beim Tabellenführer nun eine Beinahe-Blamage gegen den Tabellenvorletzten. Die ewigen Unentschieden des 1. FC Kaiserslautern nerven zwar, folgen aber stets wechselnden dramaturgischen Konzepten.

Nach 88 Minuten gegen den MSV Duisburg 0:2 hinten gelegen, bereits wie der sichere Verlierer ausgesehen, dann doch noch mit einem Doppelschlag einen Punkt gerettet. Aber: Hinterher stimmten Lauterns Aktive und ihre Vorgesetzten eben nicht das Hohelied auf die eigene Moral an, sondern blickten mehrheitlich mürrisch drein. Das ist zunächst mal ein gutes Zeichen, denn es zeigt, dass die Aktiven und ihre Vorgesetzten nach wie vor willens sind, aus dieser Saison noch mehr herauszuholen als nur zwei Siege, drei Niederlagen und nunmehr neun Unentschieden nach 14 Spielen.

Die Frage ist nur, wie man seiner Unzufriedenheit Ausdruck verleiht. Die Worte, die Marvin Pourié fand, sind einmal mehr bemerkenswert. Andere machten eine weniger gute Figur. Darunter auch Geschäftsführer Soeren Oliver Voigt und Cheftrainer Jeff Saibene, eigentlich zwei, die normalerweise sehr besonnen auftreten. Doch hinterher auf den Schiedsrichter zu schimpfen, kommt vor einigermaßen neutralen Publikum selten gut. Sich sogar in eine Art Opferrolle hineinzupredigen, weil dem FCK schon zum wiederholten Mal Strafstöße verweigert worden wären, erst recht nicht.

Trotz verweigertem Elfmeter: Immer erst an die eigene Nase fassen

Ja, in der 32. Minute hätte ein Handelfmeter für Lautern gepfiffen werden müssen, und ja, ein 1:1-Ausgleichstreffer zu diesem Zeitpunkt hätte für den Rest des Spiels die Weichen neu gestellt. Aber diese Szene mit dem angeblichen Handspiel aus der Partie in Saarbrücken in eine Reihe zu stellen, passt nicht. Da blieb der Pfiff nämlich zurecht aus.

Und in diesem Spiel hatte Pourié die Hand im Gesicht seines Gegenspielers, als er zum 1:2-Anschlusstreffer ansetzte. Der geht darauf zwar sehr theatralisch zu Boden - ganz hasenrein war das dennoch nicht. Mal sehen, was der Ex-Schiedsrichter Babak Rafati in seiner nächsten Kolumne bei "Liga3-Online"-Kolumne dazu sagt. Im Saarbrücken-Spiel vergangene Woche wollte er sogar zwei nicht ausgesprochene Platzverweise gegen den FCK gesehen haben. In diesem Spiel pfiff Referee Tobias Fritsch vielleicht nicht immer richtig, einseitig pfiff er aber nicht.

Sich an die eigene Nase fassen, ist auf jeden Fall hilfreicher, um endlich den Weg in eine bessere Zukunft zu finden. Weshalb also hat es nicht geklappt mit dem dritten Saisonsieg?

Immer noch nicht abgestellt: Grober Fehler, früher Rückstand

Zum einen hat sich der FCK wieder einmal etwas geleistet, was angesichts der stabilen Defensivleistungen zuletzt abgestellt schien. Einen frühen Rückstand nach Ballverlust in der Vorwärtsbewegung, auch noch in der letzten Reihe, auch noch verursacht von einem, von dem man es am allerwenigsten erwartet. Ausgerechnet der ballsichere Hikmet Ciftci, einer der wenigen, der sich in dieser bislang enttäuschend verlaufenden Spielzeit positiv entwickelt, verliert das Leder. Vincent Vermeij darf alleine aufs Tor zulaufen, auf Sinan Karweina querlegen - 0:1.

Was nach nur 14 Minuten bedeutet: Der MSV "darf" sich weit zurückziehen, fortan auf "schnelles Umschalten" setzen - was soll er auch sonst tun nach zuletzt fünf sieglosen Spielen mit vier Niederlagen? Und er mauert gar nicht mal ausschließlich: Hin und wieder attackieren die Duisburger Angreifer die Lautrer Hintermannschaft auch mal früh in deren Hälfte, um diese aus dem Konzept zu bringen.

Der FCK dagegen ist zu dem verurteilt, was kaum eine Drittligamannschaft gut kann: einen tiefstehenden Gegner bespielen.

Das 0:2: Eine halbe Mannschaft im kollektiven Sekundenschlaf

Wer genau alles beim zweiten Treffer der Zebras gepennt hat? Da wird der Trainer wohl etwas länger benötigen, um sich alle zu notieren. Das Tor resultiert nicht einmal aus einem Konter: Mindestens sechs FCK-Spieler sind auf der Höhe des Balles oder stehen sogar dahinter. Dennoch darf Lukas Stepanik auf Ahmet Engin passen, der in der Mitte des Strafraums so freisteht, dass er vermutlich friert. Jetzt darf er sich endlich warmschießen. 0:2.

Natürlich: Es ist keinesfalls so, dass Lautern bis zur 88. Minute gar nichts zustande gebracht hat, was zu einem Treffer führen konnte. Abgewehrte Ecken werden immer wieder gut abgefangen und vielversprechende zweite Bälle angesetzt. Adam Hlousek schießt aus dem Rückraum, ein Hinterhaltsgeschoss Ciftcis wird von Bachmann noch abgefälscht und von MSV-Keeper Leo Weinkauf gerade noch abgewehrt. Redondo kommt freistehend im Strafraum zum Schuss - nach einer im ersten Moment fragwürdigen Aktion gegen Pourié, die aber auch keinen Pfiff wert war - kriegt aber nicht genug Wumms hinter den Ball, um Weinkauf zu überwinden. Und in der 58. Minute kommt Pourié nach einer Linksflanke von Adam Hlousek sieben Meter vorm Tor frei zum Kopfball.

Einer "effizient" auftretenden Mannschaft genügt das bereits, um ein Spiel zu drehen. Dem FCK in dieser Saison nicht. Noch nicht?

Die positiven Elemente: Pourié, Redondo, Kleinsorge

Am Ende sind es einmal mehr Redondo und Pourié, die den Punktgewinn doch noch sichern. Beim ersten Treffer dient Redondo seinem Kollegen als Doppelpasspartner, beim zweiten schlägt er die Ecke, die Pourié diesmal souverän einköpft. Dass die beiden mittlerweile eine eigene Torjubel-Choreo einstudiert haben, bei der sie sich ausladend voreinander verbeugen, wundert nicht: Ohne sie läuft in der FCK-Offensive zurzeit kaum was.

Lobend erwähnt werden darf auch Marius Kleinsorge, den Jeff Saibene diesmal als Rechtsverteidiger aufbot. Damit er als gelernter offensiver Flügelspieler für mehr Dampf nach vorne sorgt als André Hainault, die zweite Notlösung auf dieser Position, nachdem Philipp Hercher und Dominik Schad ausfallen. Hainaults Qualitäten liegen jedoch in der Defensivarbeit. Turbosprinter Kleinsorge versteht sich vor allem aufs "Hinterlaufen" seines Vordermanns, was insbesondere dann gut kommt, wenn diese - erst Daniel Hanslik, später Hendrick Zuck - in die Mitte ziehen. Was beide gerne tun, diesmal aber wenig erfolgreich.

Bachmann wie einst Sammer - Gegner "bespielen" reicht nicht

Beeindruckend auch einmal mehr Bachmann als Innenverteidiger. Er beherrscht nicht nur einen einigermaßen präzisen "ersten Pass" aus der letzten Reihe, diesmal löst er sich mit zunehmender Spieldauer immer wieder mit dem Ball am Fuß aus der Abwehrreihe, um forsch durchs Mittelfeld zu marschieren. Das erinnert an das Libero-Spiel, mit dem Matthias Sammer die deutsche Nationalmannschaft 1996 zur Europameisterschaft trieb... Okay, überlebensgroße Vergleiche sind am Betzenberg im Dezember 2020 nicht angezeigt.

Vor allem zeigte die Partie: Beim "Bespielen" tiefstehender Gegner ist der FCK kein Stück weitergekommen, seit Jeff Saibene das Zepter von Boris Schommers übernommen hat. Die Elf vermag sich bisweilen auch auf engem Raum recht ansehnlich mit kurzen Pässen bis zum Strafraum durchzuknoddeln. Aber eben nicht weiter.

Natürlich: Unter Saibene wird mehr geflankt als unter Schommers, Saibene hat die von Schommers bevorzugten "Hybridstürmer" abgeschafft, lässt mit klar identifizierbaren Flügelspielern agieren. Aber gerade deswegen fehlt mehr denn je ein Typ in der Box, wie ihn Saibene in Ingolstadt mit Stefan Kutschke und in Bielefeld mit Fabian Klos zur Verfügung hatte - und der auch ein dankbarer Mitspieler für Pourié sein könnte. Ein "Mann für die letzten 14 Meter", wie ihn auch Schommers gerne gehabt hätte und der Terence Boyd heißen sollte. Der Hallenser kam dann aber doch nicht.

Die Frage an die Scouts: Kennt jemand 'ne Kante?

Bei Duisburg heißt der Typ aus dieser Baugruppe Vincent Vermeij. Ein 1,96 Meter großer Niederländer, den der MSV im Juli 2019 ablösefrei von Heracles Almelo verpflichtete. Am selben Wochenende nahm der FCK die 1,93-Meter-Kante Andri Rúnar Bjarnason gegen eine geringe Ablöse von Helsingborgs IF unter Vertrag. Der Isländer ging diesen Sommer zurück in den Norden, nachdem er am Betzenberg nie Tritt fasste. Vermeij hat mittlerweile 46 Drittliga-Einsätze, 17 Treffer und zehn Assists in der Statistik stehen. Tja...

>Wie Jeff Saibene vergangenen Sonntag in "SWR Sport" erklärte, tauscht er sich mit Sportdirektor Boris Notzon und Geschäftsführer Voigt bereits intensiv darüber aus, was im Winter-Transferfenster personell getan werden könnte. Wetten, dass so eine Kante ganz oben auf der Liste steht?

XG-Grafiken zum Spiel sind bislang leider wieder nicht eingetroffen. Sie werden in einem eigenen Post in Kürze nachgereicht. Einfach morgen nochmal vorbeischauen.

Ergänzung, 08.12.2020: Die xG-Grafiken zum Heimspiel gegen Duisburg

So, Sander Ijtsmas Grafiken zum Duisburg-Spiel sind eingetroffen. Tatsächlich: Wir müssen uns über dieses 2:2 noch mehr ärgern als wir bislang glaubten. Nicht nur, dass Ex-Schiedsrichter Babak Rafati in seiner Kolumne bei "Liga3-Online.de" meine abwägenden Worte zur Schiedsrichterleistung Lügen gestraft hat: Er hat auch die Strafraum-Aktion gegen Pourié als Elfmeter gewertet und Pouriés Armeinsatz vor dem 1:2 als noch erlaubt eingestuft. Das ergibt unterm Strich ein ganz schlechtes Zeugnis für Referee Tobias Fritsch aus Mainz.


Auch die Aufrechnung der "expected Goals" (xG)-Werte weist klar aus, dass der FCK diese Partie hätte gewinnen müssen, Last-Minute-Treffer hin oder her. 1.52 sind zwar kein guter Gesamtwert, aber mehr als doppelt so viel, wie der MSV zustande brachte.



xG-Plot FCK-MSV

Ausnahmsweise hier auch mal der sogenannte "Pitchplot", der zeigt, wo auf dem Feld die Mannschaften ihre Einschussgelegenheiten hatten. Oben auf dem Chart findet man auch die tumbe Aufrechnung der Torschüsse, wie sie in Statistiken gemeinhin üblich ist: 19:4 für den FCK, in dieser Deutlichkeit hat auch das Aussagekraft.


Interessanter ist ein anderer Vergleich. Die Werte der aus dem Spiel heraus erarbeiteten Torchancen ("xG Open Play", 1.0) sowie der nach Standards erreichten ("xG Set Pieces", 0,52) stehen bei Lautern endlich im Verhältnis 2:1. Sehr schön, so sollte es immer sein. Nur dürfen beide Werte natürlich noch höher sein.



Pitchplot FCK-MSV

Die Positions- und Passgrafik zeigt: Die Offensivkräfte hingen diesmal ganz schön in der Luft. Ritter scheint gar nicht im Spiel gewesen zu sein, von den zentralen Mittelfeldspielern geht überhaupt kein Pfeil zu den Mitspielern vorne. Zur Erinnerung sei hier auch nochmal gesagt: Diese Pfeile werden erst nach mindestens nach drei Zuspielen eingezeichnet. Ein oder zwei Pässe, die auch ankamen, könnten Rieder oder Ciftci also schon gespielt haben.

Passmap FCK


Zum Vergleich noch die Positions- und Passgrafik des MSV. Die agierten ziemlich linkslastig, schafften es aber durchaus, ihre Offensiven ins Spiel einzubeziehen. Außer Engin. Dem genügte der eine Pass, den sein Kollege Scepanik auf ihn spielte. So frei, wie er anschließend zum Schuss kam, konnte er gar nicht anders, als den zweiten Treffer der Duisburger zu erzielen.


Passmap MSV

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Neu auf DBB | Grafiken sagen nicht alles, aber viel: Die Taktikanalysen von den FCK-Spielen

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